Lage und Geschichte
Lage
Die Wallfahrtskirche Hessenthal steht im Ortsteil Hessenthal der politischen Gemeinde Mespelbrunn. Im Elsavatal sind die Hänge steil, die Dörfer lang gezogene Straßendörfer. Schon von der Straße aus sieht man die "Kirchenburg" mit ihren drei Gotteshäusern: der Gnadenkapelle, der alten Wallfahrtskirche und der großen, neuen Wallfahrtskirche, die immer noch Ziel zahlreicher Wallfahrten ist.
Adresse: Hauptstr. 42, 63875 Mespelbrunn
Historisch greifbare Anfänge
Die Siedlungsgeschichte von Hessenthal und Mespelbrunn wird ab der Mitte des 13. Jh. in einem Territorialstreit fassbar. Die Grafen von Rieneck hatten versucht, sich einen eigenen Herrschaftsbereich aufzubauen, indem sie im oberen und mittleren Elsavatal eine Reihe von Siedlungen um den Hochspessart legten. Mainz stoppte diesen rieneckischen Landausbau gewaltsam, die Kriege zogen sich bis 1270 hin. Heute geht man davon aus, dass die Siedlungsinitiative von Rieneck kam und von Mainz weitergeführt wurde. Vor diesem machtpolitischen Hintergrund muss man die Gründung der Hessenthaler Wallfahrt sehen. Eine vom Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Gerhard II. ausgestellte Ablassurkunde für die Kirche in „Hesilndal“ vom 5. Mai 1293 ist die Erneuerung eines schon einige Jahrzehnte vorher abgefassten Dokuments. Eine später entstandene Gründungslegende erzählt die Entstehung der Wallfahrt so:
Legende von der Auffindung des Gnadenbildes.
1969 hat Bischof Josef Stangl die bisherige Kuratie Hessenthal zusammen mit der Filialgemeinde Mespelbrunn, die zu Heimbuchenthal gehört hatte, zur Pfarrei erhoben. Bis dahin war Hessenthal der Pfarrei Oberbessenbach zugeordnet. 1972 wurden die beiden Ortsteile auch politisch fusioniert zur "Gemeinde Mespelbrunn". Die Zahl der Pilger nach Hessenthal ist in den letzten Jahren angewachsen. Vor allem an den vier Wallfahrtstagen Ostermontag, Pfingstmontag, Mariä Himmelfahrt und dem Sonntag nach Mariä Geburt kommen viele Wallfahrer nach Hessenthal. Jedes Jahr kommen fast 20 Fußwallfahrten aus der Umgebung. Zahlreiche Busgruppen und Tagestouristen suchen die Wallfahrtskirche auf, um im Gebet Ruhe und Besinnung zu finden, oder auch um die Botschaft der Kunstwerke zu entdecken.
Gebäude
Die Gnadenkapelle
Die Gnadenkapelle mit ihrem Dachreiter sieht aus wie ein verkleinertes Abbild der alten Wallfahrtskirche. Sie erreicht man zuerst, wenn man die breite Treppe hinaufgeht. Den Entstehungszeitraum grenzen zwei Wappen ein: Außen kündet über dem nordöstlichen Spitzbogenfenster ein Wappen vom Kurfürsten Schweickard von Kronberg (1604-26). An der inneren Torhauswand findet man das Wappen des Kurfürsten Dieter von Erbach (1434-59). Über dem Portal der Gnadenkapelle weist das Echterwappen auf die Erbauer, die Grafen von Mespelbrunn hin, ihr Wappen bildet auch den Schlussstein des Rippengewölbes im viereckigen Chor des Kirchleins. Der hintere Teil der Kapelle hat eine Flachdecke, die mit Stuckornamenten gegliedert ist.
Zentrum der Gnadenkapelle ist das Gnadenbild im Altar; Die schmerzhafte Muttergottes mit ihrem toten Sohn, eine sog. Pieta. Sie strahlt in frühmittelalterlich-romanischer Weise zugleich Trauer und innere Gefasstheit aus. Die Botschaft des Bildes könnte lauten: „Seht her, welches Leid ich trage“. Im Vorbild ihres Gottvertrauens haben Pilger aller Jahrhunderte Trost gefunden und Maria die eigenen Anliegen anvertraut. Der Barockaltar stammt aus der Aschaffenburger Hofschreinerei. 1695 wurde der Altar in Auftrag gegeben, aber erst 1718, nach dreiundzwanzig Jahren Lieferzeit, fertiggestellt. Ein Altar mit natürlicher Holzoberfläche, es handelt sich um Nussbaumfurnier, war da nicht mehr modern. Er erhielt sofort eine - zwischenzeitlich wieder entfernte - Marmorierung. Die Barockgemälde an der Emporenbrüstung zeigen die sieben Freuden Mariä.
Die neue Wallfahrtskirche
Wenn man durch den dunklen Treppentunnel gegenüber der Gnadenkapelle in die neue Wallfahrtskirche kommt, ist der erste Eindruck befreiende Helligkeit und Weite. Durch hohe Fensterreihen flutet von zwei Seiten Licht in das geräumige Kirchenschiff und den hochgestellten Chor. Mit diesen Fensterbündeln und den aus den Mauerfronten herausgezogenen Wandpfeilern ist es Hanns Schädel , der als Würzburger Dombaumeister der Architekt der Kirche war, gelungen, die Formensprache der Gotik mit modernen Mitteln aufzugreifen. Auf der linken Seite des Kirchenschiffes verläuft hinter den Säulen ein halbhoher Gang. Nach zwei in die Wand eingebauten Beichtstühlen öffnet ein verglaster Zugang den Weg in die alte Wallfahrtskiche. Die Holzdecke verleiht dem großen Kirchenschiff eine gewisse Wohnlichkeit.
Zur Ausstattung der Kirche zählen bedeutende Kunstwerke, die im Laufe der Jahrhunderte den Weg nach HessenthaI gefunden haben. Da ist zunächst einmal die alles überragende Kreuzigungsgruppe hinter dem Altar. Sie ist die letzte Arbeit von Hanns Backoffen aus Mainz, denn die im Schaft des Kreuzes eingravierte Jahreszahl 1519 ist Backoffens Todesjahr. Zunächst stand sie als Friedhofskreuz im Freien, wurde dann mit der "Hochkreuzkapelle" geschützt, ehe sie ab 1955 eine würdige Verwendung als "Hochaltar" der neuen Kirche fand. Liebevolle Details künden die Botschaft von der Wirkung des Erlösungstodes Jesu Christi. Die Figuren sind mit 210 cm überlebensgroß, im Stil der Spätgotik möglichst naturgetreu dargestellt. Trotz der traurigen Grundstimmung der Szene ist die Leibesschönheit der Figuren betont.
An der westlichen Wand beschreiben moderne Bilder den Kreuzweg Christi. Sie sind das Werk des Aschaffenburger Künstlers Siegfried Rischar. Seit 1967 laden die zwölf Stationsbilder den Betrachter zur Meditation ein. Nur auf die Farben weiß, grau und braun beschränkt, Gesichter und Hände übergroß betont, künden die 110 cm großen Bildtafeln in expressionistischem Stil vom Leiden Christi. Der nur angedeutete Hintergrund fixiert das Geschehen nicht auf einen bestimmten Ort, es wird übertragbar. Die Stationen 13 und 14, welche sonst an die Kreuzabnahme und die Grablegung erinnern, fehlen bei Rischars Kreuzweg. Sie sind im nächsten Kunstwerk enthalten:
Der sog. Riemenschneideraltar befindet sich gegenüber dem Eingang an der Wand vor der Empore. Von dem Würzburger Meister stammen die Figuren der Beweinungsgruppe. Die Zweifel, ob das Werk überhaupt von Tilman Riemenschneider aus der Zeit um 1485 sei, sind durch gründliche Untersuchungen 1981 weitestgehend ausgeräumt worden. Erst ab 1728 ist diese Gruppe für HessenthaI urkundlich fassbar. Der vorherige Standort ist ungeklärt. Die Ausstattung der großen Wallfahrtskirche wurde 1971 mit der Anschaffung einer Orgel abgeschlossen. Hergestellt wurde sie von der Firma Hofmann in Ostheim vor der Rhön. Mit 25 Registern, spielbar auf zwei Manualen und dem Pedalwerk, ist das Instrument konzerttauglich.
Alte Wallfahrtskirche
Der Zugang in die alte Wallfahrtskirche ist im vorderen Teil der Arkaden der großen Kirche. Bevor wir die vier Stufen in das verkürzte Kirchenschiff hinuntersteigen, überblicken wir den Raum: Grabplatten und Epitaphien schmücken die Seitenwände. In den Ecken vor dem gotischen Chorbogen stehen zwei Seitenaltäre, in der Mitte des Chores dann, reich mit Figuren und Vergoldungen geschmückt, der barocke Hochaltar. Mit alten Kirchenrechnungen lassen sich die Altäre der alten Kirche zeitlich genau einordnen. Sie wurden 1686 vom Aschaffenburger Hofschreiner Peter Gießer (auch „Kyser“) gefertigt. Seit 1698 flankieren die vollplastischen Figuren von Joachim und Anna das gemalte Mittelbild der Retabel. Der Altar ist ein Werk des Frühbarock, dessen zeittypischen Merkmale alle zu finden sind: durchbrochener Giebel auf gedrehten Säulen, Früchtegehänge neben den Figuren und die Naturholzoberfläche. Das Bild der Heiligen Familie ist das ursprüngliche Altarbild, der Künstler ist unbekannt.
Ein Fresko mit der Aufnahme Mariens in den Himmel von Adalbert Hock (Aschaffenburg, 1866-1949) über dem Chorbogen erinnert an das Kirchenpatrozinium. Vom selben Künstler gab es vor dem Umbau auch noch ein Fresko in der hohen Decke des Kirchenschiffs. Beim Neubau der großen Kirche mussten von der alten Kirche ca. fünf Meter abgebrochen werden, dadurch hat sie ihre ursprünglichen Proportionen verloren. Im Original vorhanden ist noch der Chor. Er ist identisch mit der Begräbniskirche der Echter. Als Stifter gilt Hamann lI., dem der Bergfried des Mespelbrunner Schlosses zugeschrieben wird.
Die gekehlten Gewölberippen zeichnen einen Stern an die Decke. Sie laufen zusammen in zwei Schlusssteinen, deren vorderer die Himmelskönigin mit dem Jesuskind, der andere ein „Herrnbild“, ein Antlitz Christi zeigt. Die thronende Himmelskönigin entspricht der .“glorreichen Jungfrau Maria“, wie sie im Ablassbrief von 1293 erwähnt ist. Die flachen Stuckaturen in der Chordecke mit Musikengeln und Taube in Bandelwerk sind Verschönerungen der Barockzeit. Von den Seitentüren im Chor ist nur noch die linke vorhanden, eine rechte Tür ist zugemauert worden.
Die Zeugnisse Echterscher Begräbniskultur stehen heute alle aufrecht an den Kirchenwänden. Wir müssen aber unterscheiden zwischen Grabplatten und Epitaphien. Die Grabplatten bedeckten die Gräber im Fußboden der Kirche, vor allem im Chorraum, und weisen zum Teil erhebliche Abnutzungsspuren auf. Gemeinsames Merkmal der Grabplatten sind eine Umschrift mit den Daten des Verstorbenen und flach gearbeitete Wappenreliefs. Die drei Epitaphien sind von Anfang an als stehende Grabdenkmäler mit zum Teil vollplastischen Figuren geschaffen worden Das älteste der drei Epitaphien ist im Langhaus hinten links das spätgotische Grabmal Elisabeths von Werdenberg.
Ein Kunstwerk besonderer Art ist das in seinen Ausmaßen gewaltige Echterepitaph im Chor links. Mit 7,4 m Höhe reicht es bis unter die Decke und füllt eine ganze Fensternische aus. 1582 von Dieter Echter bei Albrecht Fried in Aschaffenburg bestellt, wurde das Familiengrabmal von dem aus Schwäbisch Hall stammenden Erhard Barg 1583 geschaffen. Es zeigt Peter III. Echter und Gertraud von Adelsheim, sowie deren Kinder, unter ihnen der Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn. Die Wappenreihen an den seitlichen Pilastern belegen als Ahnennachweis die Familienbeziehungen der Echter. Die übrigen Figuren des Epitaphs dienen der religiös erbaulichen Ausschmückung dieses Grabmals der Spätrenaissance. Ganz oben verkündet ein Medaillon die Auferstehung, eingerahmt von Skulpturen, die Glaube, Hoffnung und Liebe darstellen. Die Schrifttafeln enthalten gereimte Abschiedsgrüße der Ehegatten bzw. Zwiegepräche zwischen Vater und Kindern in lateinischen Versen.
Interessant sind im Außenbereich weitere Grabtafeln von Dienern des Hauses Echter: An der nördlichen Außenwand des Chores ein kleines Denkmal für eine Frau, in einfachem Kleid mit Halskrause und ohne Kopfbedeckung. Eine Verwachsung an ihrer Schulter ist leider beschädigt. Die Sockelinschrift verrät: “Anno 1567 sampstag den 8. November ist die Erber Christina in Got verschieden.“ Neben der Figur ist zu lesen: „Christina Alberdinen Zwergin Peter Echters und Gertraud gebori vo Adelzhaim seiner Hausfrauwen gedrewe und fleissige deinerin XXVI gewesen“. Daneben erinnert eine Schrifttafel an den im zarten Alter von sechs Jahren verstorbenen Abraham Gans, Sohn des Echterschen Finanzbeamten Hans Georg Gans. In die Innenseite der Wehrmauer ist ein interessantes Kreuz eingelassen. Es erinnert an das Schicksal einer Familie Kunkel, die 1613 offenbar von einer Seuche hinweggerafft wurde: „Anno 1613 SoN 27. Juni ist in Gott Verschieden Hans Kunckel. Sein HausFrav Mit V Kindern Deren Gott Genad“.
Zeittafel
- Um 1250 erstmalige Nennung des Ortes Hessenthal
- 1293 Älteste vorhandene Ablassurkunde für Hessenthal vom Mainzer Erzbischof Gerhard II.
- 1410 Errichtung einer Kaplanei Hessenthal, Pfarrei Oberbessenbach
- 1439 Bau der Wallfahrtskirche
- 1454 Errichtung der Gnadenkapelle
- 1633 Schwere Verluste durch den Dreißigjährigen Krieg
- 1803 Ende des Mainzer Kurstaates
- 1814 Übergang Hessenthals und des Spessarts an Bayern
- 1955 Einweihung der großen Wallfahrtskirche durch den Bischof Julius Döpfner
- 1969 Erhebung der bisherigen Kaplaneien zur Pfarrei Hessenthal-Mespelbrunn
- 1972 Bildung der Gemeinde Mespelbrunn aus den Dörfern Hessenthal und Mespelbrunn
- 1992 Renovierung der Wallfahrtskirche und Aufstellen der Grabplatten an der Wand
- 1993 700jähriges Wallfahrtsjubiläum
- 2005 50 Jahre Kirchweih der neuen Wallfahrtskirche mit Dorffest
Baugeschichte
In der alten Wallfahrtskirche zeugt die Jahreszahl 1439 im Schlussstein des Chorgewölbes vom Erbauungsjahr. Das Kirchenschiff ist in Etappen entstanden, ein Wappen des Kurfürsten Adam von Biden (1601 - 1604) an der früheren westlichen Außenwand markierte den Abschluss der Erweiterungen. Diese Kirche wurde von den Echter von Mespelbrunn als Familiengruft errichtet. Im Inneren zeugen zahlreiche Grabsteine und Epitaphien von den dort bestatteten Grafen. Um den früheren Kirchhof ist eine Wehrmauer in dieser Zeit entstanden.
An deren Nordseite wurde die Gnadenkapelle 1454 unmittelbar angebaut. Der Türpfosten, an dessen Innenseite diese Jahreszahl steht, wurde bei einer Erweiterung der Kapelle im Jahr 1609 an die heutige Stelle gerückt.
Der Innenhof ging früher ganz um die Kirche herum und zum Berg gab es eine hohe Stützmauer, an die 1618 eine hallenartige Kapelle, das sogenannte „Hochkreuz“, angebaut wurde, deren Inneres die kolossale Kreuzigungsgruppe von Hanns Backoffen barg. An dieser Hochkreuzkapelle war eine Außenkanzel, denn bei großem Pilgerandrang wurden Gottesdienste im Innenhof gehalten.
1954/55 wurde die "neue Wallfahrtskirche erbaut. Als Architekten konnte man den Würzburger Dombaumeister Hanns Schädel gewinnen. Der von der Kirche etwas abgerückte Kirchturm und das Pfarrhaus neben dem Friedhof wurden mit dem Kirchenneubau errichtet. 1968/70 und 1978/79 gab es Renovierungen. Bei der letzten erhielt die neue Kirche ihre Kassettendecke aus Holz. Zum Jubiläumsjahr 1993 erfuhr der gesamte Kirchenkomplex einschließlich der Außenanlagen eine gründliche Erneuerung.